Heiliges Land: Ökumenischem Friedensprojekt droht Isolation
Das palästinensische Friedensprojekt "Tent of Nations" ist massiv in seiner Existenz bedroht. "Tent of Nations" ist ein Stück Land im Südwesten von Bethlehem und Jerusalem, das sich im Eigentum der evangelischen Palästinenserfamilie Nassar befindet. Seit 1991 tobt ein Rechtsstreit zwischen Israel und der Familie um das Grundstück. Inzwischen wurden sechs jüdischen Siedlungen rundum errichtet und die Zufahrt zum Grundstück abgeriegelt und für Autos unpassierbar gemacht.
Wie Daoud Nassar vor Ort im "Studio Omega"-Gespräch sagte, seien derzeit vier Prozesse im Laufen. Der seit 1991 laufende Hauptprozess um die Eigentumsverhältnisse werde von den israelischen Behörden verschleppt, weil er - Nassar - Besitzurkunden vorweisen könne und die Behörde keine Präzedenzfall schaffen wolle. Zuletzt habe es zudem Abrissbescheide gegen Zelte, Tierunterstände und eine Wasserzisterne gegeben, die man nun ebenfalls juristisch bekämpfe, so Nassar. Bestimmte Teile des Landes dürften derzeit auch nicht kultiviert werden, weil die Behörde ein Verbot verhängte.
Das Land befindet sich seit 1916 im Besitz der Familie. Nassars Großvater hatte es noch zu osmanischer Zeit erworben. Auf dem Grundstück dürfen keine Bauten errichtet werden, Nassar und seine Familie sowie internationale Freiwillige, die ihn unterstützten, leben in Höhlen und Zelten.
Die Behörden verhindern bis heute den Anschluss an die öffentliche Wasser- und Stromversorgung. Deshalb brauche man die Wasserzisternen und habe Solaranlagen errichtet, um von der öffentlichen Versorgung unabhängig zu sein, so Nassar, der in den 1980er-Jahren die evangelische Bibelschule Schloss Klaus in Oberösterreich besucht und in Kirchdorf an der Krems maturiert hat.
Nassar befürchtet, wie er im Gespräch erläutert, weitere massive Verschlechterungen, sobald der israelische Mauerbau abgeschlossen sein wird. Seit zehn Jahren errichtet Israel "aus Sicherheitsgründen" einen Sperrwall zu den Palästinensergebieten. Die Mauer folgt allerdings nicht der seit 1967 bestehenden Grenze ("green line") zwischen Israel und dem Westjordanland, sondern verläuft in vielen Gebieten innerhalb der Palästinensergebietes.
Viele wollen einfach "Bewegungsfreiheit"
Sobald die Mauer fertig ist, würden "Tent of Nations" sowie fünf weitere palästinensische Siedlungen zwischen der "green line" und der Mauer in israelisch kontrolliertem Gebiet liegen. Die einzige dann noch passierbare Verbindung nach Bethlehem, das zum palästinensischen Kernland gehört, wird von den Israelis kontrolliert. Nassar befürchtet, dass die Dörfer und sein Landgut dann völlig isoliert werden könnten.
Mehrfach sei sein Land auch schon von jüdischen Siedlern angegriffen worden. Dabei seien vor rund zehn Jahren beispielsweise 250 Olivenbäume zerstört worden. Diese wurden dann allerdings von einer britischen jüdischen Organisation wieder neu gepflanzt, als Zeichen der Versöhnung und Verständigung, wie Nassar anerkennend sagte.
Auf das Terror- und Gewaltprobleme und den Standpunkt der Israelis, dass es ohne Sicherheit keinen Frieden geben kann, meinte Nasser, dass die Mehrheit der Palästinenser einfach in Frieden und Freiheit leben wolle. Gewalt erkläre sich aus der großen Frustrationen der Menschen, in ihrem eigenen Land eingesperrt zu sein. Der überwiegende Teil der Bevölkerung lehne Gewalt aber ab. "Gewalt kann nie die Lösung sein", so der palästinensische Christ. Die Palästinenser bräuchten einfach ein Zeichen des guten Willens von Seiten der Israelis, meinte Nassar. Am notwendigsten wäre mehr Bewegungsfreiheit.
Nassar veranstaltet Sommercamps mit christlichen und muslimischen Kindern aus Bethlehem, er initiiert Bildungsprojekte für Frauen und beherbergt immer wieder Freiwillige aus allen möglichen Ländern, die etwa bei der Ernte helfen.
Unterstützt wird er u.a. auch vom "Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel" (EAPPI). Freiwillige beobachten die Situation am Ort und dokumentieren Menschenrechtsverletzungen. Die Initiative wird vom Weltkirchenrat getragen. Auch der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) ist dabei engagiert. Nassar würde es gerne sehen, wenn künftig auch Freiwillige aus Österreich bei "Tent of Nations" mitarbeiten würden.
Trotz aller Schwierigkeiten wolle er die Hoffnung nicht aufgeben, so der Friedensaktivist. Positive Begegnungen mit Israelis würden ihm zeigen, dass eine gemeinsame Zukunft möglich ist. Es brauche einfach noch viel mehr kleine Schritte des gegenseitigen Kennenlernens und Vertrauens.
Israelische Kritik am Mauerbau
Hart ins Gericht mit dem Mauerbau auf palästinensischem Gebiet ging auch der israelische Friedensaktivist Lior Amichai von "Peace Now". Israel habe selbstverständlich das Recht, eine Mauer bzw. eine andersartige Grenzbefestigung zu bauen, um sich zu schützen, aber nicht auf palästinensischen Gebiet, so Amichai im "Studio Omega"-Gespräch.
Die Länge der "green line" betrage rund 340 Kilometer, die Mauer/Grenzbefestigung werde im Endausbau rund 800 Kilometer lang sein, weil es viele Schlingen hinein ins Palästinensergebiet rund um jüdische Siedlungen gibt und geben wird. Diese teils gegen den Willen der Behörden, teils mit staatlicher Unterstützung errichteten Siedlungen, die oftmals eigentlich ganze Kleinstädte sind, würden den Friedensprozess torpedieren, so Amichai. Ein eventueller Palästinenserstaat sei so sicher nicht lebensfähig.
Es gehe darum, dass nicht durch den Mauer- und Siedlungsbau mögliche Perspektiven für eine künftige Zwei-Staaten-Lösung zerstört werden, so der "Peace Now"-Vertreter.
"Peace Now" ist eine in den 1970er-Jahren gegründete israelische Friedensinitiative. Wie Amichai einräumte, sei die Position der Initiative in Israel allerdings eine absoulute Minderheitenposition. So gebe es etwa in der israelischen Bevölkerung überhaupt keinen Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Mauerbaus. Schließlich sei damit die Terrorgefahr weitgehend gebannt worden.