Gedenken an die Novemberpogrome 2023
Die Erklärung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich im Wortlaut:
Am 9. November gedenkt Österreich wieder der Novemberpogrome von 1938. Vor 85 Jahren wurden tausende Jüdinnen und Juden ermordet, verhaftet und misshandelt, unzählige Synagogen, Bethäuser, jüdische Geschäfte und Wohnungen zerstört. Allein in Wien wurden im Zuge der Pogrome 42 Synagogen und Bethäuser zerstört, mehr als 6.500 Juden inhaftiert und knapp 4.000 von diesen in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Auch in anderen Städten in Österreich fanden unfassbare Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung statt.
Heute bekennen die Kirchen dankbar, dass es nicht möglich ist, Christ zu sein, ohne die jüdischen Wurzeln des Glaubens hochzuschätzen. Wir erkennen beschämt, dass mit der Zerstörung der Synagogen der Name des Ewigen geschändet wurde, ohne dass viele unserer Vorfahren im Glauben dies gespürt hätten. Wir sind dankbar für die vielfältigen Formen jüdischen Lebens in unserem Land. Zugleich bekennen wir, dass es nur ein Bruchteil des jüdischen Lebens ist, das es vor der Shoah in Österreich gab.
Jüdinnen und Juden müssen in Österreich eine sichere Heimat haben. Dieser Satz sollte so selbstverständlich sein, dass es beschämend und bestürzend ist, ihn überhaupt aussprechen zu müssen. 85 Jahre nach den Novemberpogromen stellen wir einen erschreckenden Anstieg antisemitischer Vorfälle in Österreich fest. Für Antisemitismus, in welcher Form und von welcher Seite her auch immer, darf es in Österreich keinen Platz geben. Behörden, Politik und Zivilgesellschaft und damit auch die Kirchen sind gleichermaßen gefordert und müssen auf ihre je eigene Art entschieden dagegen vorgehen. Diese Forderung nehmen wir als ÖRKÖ auch als Selbstverpflichtung wahr.
Der ÖRKÖ-Vorstand ist besorgt um den Frieden und Zusammenhalt in Österreich und wir rufen alle Menschen in unserem Land zu gegenseitigem Respekt auf und alles zu unterlassen, was Spaltung, Hass und Gewalt fördert. Wir mahnen zu besonderen Wachsamkeit gegenüber jeglicher Form von gesellschaftlichen Entwicklungen, die auf Abwertung und Ausgrenzung von Minderheiten setzt.
Die aktuelle Entwicklung zeigt uns, dass der Kampf gegen Antisemitismus jeden Tag aufs Neue geführt werden muss. Der polizeiliche Schutz von Synagogen, Bethäuser, jüdischen Friedhöfen, Schulen und weiteren jüdischen Einrichtungen ist unbedingt erforderlich. Es braucht aber neben einem entschiedenen gesetzlichen Vorgehen auch verstärkte Aufklärungsarbeit. Mit großer Sorge sehen wir in diesem Zusammenhang vor allem auch die Sozialen Medien. Eine besondere Rolle im Einsatz gegen Antisemitismus kommt zudem sicher auch den Schulen in Österreich zu; ebenso aber etwa auch der Bildungsarbeit und Werte-Erziehung in den Kirchen.
Rund um den 9. November finden an vielen Orten in Österreich Gedenkveranstaltungen statt. Wir rufen die Österreicherinnen und Österreicher in unserem Land dazu auf, an diesen Veranstaltungen teilzunehmen und so ein Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen. Mögen die Kräfte in unserer Gesellschaft die Oberhand behalten, die sich für ein friedliches, respektvolles und angstfreies Miteinander von unterschiedlichen Religionen und Kulturen in Österreich einsetzen.