„Große Chance für Österreich“, aber „Engführung“ im Bereich Religion (11. Jänner 2020)
Als „große Chance, dass etwas Neues, Zukunftsträchtiges“ für Österreich zustande gebracht wird, betrachtet der Vorstand des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) das Regierungsprogramm der Koalition von Volkspartei und Grünen. Zugleich wird aber auch Sorge über einen schwammigen Gebrauch des Begriffs Religion bekundet.
Wörtlich heißt es in der am Samstag veröffentlichten Erklärung des ÖRKÖ-Vorstands:
„Dass Schwerpunkten wie Klimaschutz/Bewahrung der Schöpfung, Steuergerechtigkeit, Armutsbekämpfung usw. viel Raum gegeben wird, ist ein positives Signal für die Zukunft. Mit dieser Regierung besteht die Hoffnung, dass die Stimmung in Österreich wieder von mehr Vertrauen, Solidarität, Achtsamkeit im Umgang miteinander geprägt wird. Es waren diese Haltungen, die die Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik ermöglicht haben. Sie werden auch für die Bewältigung der Zukunftsaufgaben von entscheidender Bedeutung sein. Bedauerlich ist, dass Religion im Regierungsprogramm vor allem im Zusammenhang mit Integration und Sicherheit thematisiert wird. Das erscheint uns eine Engführung zu sein, denn es gibt viele Bereiche – von Klimaschutz über Armutsbekämpfung bis Pflege -, die ohne Mitdenken der Kirchen und ohne das ehrenamtliche Engagement so vieler gläubiger Menschen nicht zu bewältigen sind.
Es ist zu begrüßen, dass im Regierungsprogramm die Bedeutung des konfessionellen Religionsunterrichts hochgeschätzt wird und dass für jene Schülerinnen und Schüler, die an keinem konfessionellen Religionsunterricht teilnehmen, der Ethikunterricht kommt. Hervorzuheben ist, dass der Beitrag des Religionsunterrichts für Integration und friedliches Zusammenleben anerkannt wird.
Wenn generell von Qualitätssicherung und Kontrolle im Bereich des Religionsunterrichts die Rede ist, mag das im Hinblick auf frühere negative Erfahrungen etwa mit problematischen Inhalten in Religionsbüchern für den islamischen Religionsunterricht verständlich erscheinen, das betrifft aber nicht den Religionsunterricht im allgemeinen. Dabei sollte auch nicht übersehen werden, dass es in Österreich bereits seit einigen Jahren durch die Zusammenarbeit von Kirchen und Islamischer Glaubensgemeinschaft bei der Ausbildung von islamischen Religionslehrerinnen und –lehrern etwa an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien-Krems einen international anerkannten hohen Qualitätsstandard gibt.
Die im Regierungsprogramm angesprochene ‚institutionelle Trennung von Religion und Staat‘ ist selbstverständlich. Ist dieses Prinzip mit dem Trend zur Verstärkung der staatlichen Aufsicht in jenen Bereichen zu vereinbaren, in denen es zur Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschaften kommt? Der Wiener Religionsjurist Prof. Richard Potz hat in diesem Zusammenhang auf die im Programm genannte ‚Sicherstellung einer effizienten Kontrolle des 2015 eingeführten Verbots der Auslandsfinanzierung von Religionsgemeinschaften‘ verwiesen.
Gegen pseudoreligiös motivierten politischen Extremismus müssen Maßnahmen ergriffen werden - das Regierungsprogramm sieht etwa die Schaffung einer unabhängigen Dokumentationsstelle für diese Form des Extremismus (nach dem Vorbild des ‚Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands‘/DÖW) vor. So notwendig diese Maßnahmen sind, darf aber die Grundeinstellung nicht in Vergessenheit geraten, die Bundeskanzler Sebastian Kurz in seiner Zeit als Staatssekretär für Integrationsfragen immer wieder zitiert hat: ‚Religion ist Teil der Lösung, nicht in erster Linie Teil des Problems‘."