Die Kirchen der Welt kamen in Karlsruhe zum Gebet und zu Beratungen zusammen
Das internationale Gremium sandte der Welt zahlreiche Botschaften zum Thema "Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt". Die Vorsitzende Agnes Abuom eröffnete die Versammlung, welche gleichzeitig die letzte für die kenianische Anglikanerin in dieser Funktion ist.
"Die Beziehungen sind für den ÖRK und die ökumenische Bewegung von grundlegender Bedeutung", sagte Abuom. "Das macht Erlebnisse wie die Vollversammlung so wertvoll und prägend. Wir begegnen uns, in all unserer Einzigartigkeit, und erkennen in Fremden unseren Nächsten, wir einen uns inmitten unserer Vielfalt."
Der amtierende Generalsekretär Ioan Sauca thematisierte in seinem Bericht die Klimakrise, COVID-19, den Krieg in der Ukraine und viele andere Herausforderungen aus aller Welt.
"Als Antwort auf die Strapazen der heutigen Zeit brauchen wir einander. Wir müssen uns aufeinander verlassen, wir kommen nur vorwärts, wenn wir gemeinsame statt getrennte Wege gehen", sagte Sauca, der der Rumänischen Orthodoxen Kirche angehört und den ÖRK seit April 2020 leitet.
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hielt eine Ansprache und der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann begrüßte ebenfalls die Vollversammlung.
Steinmeier erinnerte sich voller Dankbarkeit, dass es den deutschen Kirchen erlaubt war, an der ersten ÖRK-Vollsammlung 1948 in Amsterdam teilzunehmen und dass diese als gleichwertige Mitglieder emfangen wurden: "Dafür sind wir bis heute dankbar!"
Der Krieg in der Ukraine war wiederholt Thema in den Gedanken, Gebeten und Worten der Vollversammlung, Steinmeier nannte ihn einen "Angriffskrieg".
Die Eröffnungsandacht umfasste eine Andacht des ÖRK-Präsidenten, Patriarch Johannes X. von der Griechisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien (in Syrien) und dem gesamten Osten. Er rief seine Zuhörerinnen und Zuhörer und deren Kirchen und Nationen dazu auf, "sich dafür zu entscheiden, durch den leidenden Nahen Osten zu gehen, so wie Christus sich dafür entschieden hat, durch Samaria zu gehen. Geht vorbei und schaut auf die Geliebten Christi dort, wie er auf die Samariter geschaut hat, ohne diejenigen zu missachten, die anders sind als ihr, ohne die Menschen in Syrien, im Libanon, im Irak und im Heiligen Land Palästina auszuschließen, vor allem, weil ihre Vorfahren dem Evangelium der Versöhnung gedient und es unter allen Völkern verbreitet haben".
Lokale deutsche Gastgeberkirchen hießen über 3.500 Menschen an der Vollversammlung und in Karlsruhe, willkommen. Es wurden über 70 Wochenend-Ausflüge in Deutschland, Frankreich und der Schweiz organisiert. Mehr als 200 Kultur- und Informationsanlässe wurden in der Gastgeberstadt selbst durchgeführt.
Nach einem Empfang beim Oberbürgermeister von Karlsruhe, Frank Mentrup, waren die Teilnehmenden der Vollversammlung zu einem besonderen Lichtspiel an der Fassade des Schlosses Karlsruhe einladen.
Die Herausforderungen dieser Welt bewältigen
Die 11. Vollversammlung des ÖRK verabschiedete vier öffentliche Erklärungen und vier Protokollpunkte, in denen sie ihre Besorgnis zum Ausdruck brachte und Wege zur Bewältigung einiger der größten Herausforderungen der Welt vorschlug.
Die vier Erklärungen sind:
"Der lebendige Planet: Streben nach einer gerechten und zukunftsfähigen weltweiten Gemeinschaft"
Diese Erklärung macht aufmerksam auf die sich zuspitzende Situation und fordert Maßnahmen. "Die Liebe Christi ruft uns zu echter Solidarität auf und fordert uns auf, durch eine Verwandlung unserer Systeme und unseres Lebenswandels nach Gerechtigkeit für all jene zu streben, die am wenigstens zu diesem Notstand beigetragen haben, aber am meisten darunter leiden - physisch, existenziell und ökologisch." - besagt die Erklärung
"Was zum Frieden dient: Die Welt zu Versöhnung und Einheit bewegen"
In dieser Erklärung wird zu einem erneuten Engagement für den Frieden aufgerufen. Den dringenden Bedarf für einen "erneuerten Dialog innerhalb der ökumenischen Bewegung" anerkennend, bekräftigt die Erklärung "das Engagement des ÖRK zur Friedensstiftung durch interreligiösen Dialog und interreligiöse Zusammenarbeit auf allen Ebenen" nachdrücklich und ruft zu einem weltweiten Waffenstillstand auf.
"Krieg in der Ukraine, Frieden und Gerechtigkeit in der Region Europa"
Die Erklärung appelliert an "alle Konfliktbeteiligten, die Grundsätze des internationalen Völkerrechts insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Zivilbevölkerung und der zivilen Infrastruktur sowie die humane Behandlung von Kriegsgefangenen zu respektieren". Sie bekräftigt, dass Krieg nicht mit Gottes Natur zu vereinbaren ist. "Wir fordern alle Parteien dringend auf, sich zurückzuziehen und von militärischen Handlungen in der Nähe des Atomkraftwerkes Saporischschja und anderen derartigen Orten, die eine unvorstellbare Bedrohung für gegenwärtige und zukünftige Generationen darstellen können, abzusehen", besagt die Erklärung.
"Streben nach Gerechtigkeit und Frieden für alle im Nahen Osten"
Die Vollversammlung hatte ein offenes Ohr für die Appelle der Kirchenoberhäupter im Heiligen Land, in denen von zunehmenden Einschüchterungen, Übergriffen, Einschränkungen des Zugangs zu Gotteshäusern und Angriffen durch radikale Kräfte berichtet wird. So heißt es wörtlich: "Wir bekräftigen den rechtmäßigen Platz des Staates Israel in der internationalen Staatengemeinschaft und erkennen seine legitimen Bedürfnisse nach Sicherheit an."
Weiter heißt es: "Gleichzeitig bekräftigen wir das Recht der Palästinenserinnen und Palästinenser auf Selbstbestimmung, und dass sowohl die Besetzung der palästinensischen Gebiete durch Israel seit 1967 als auch der Bau der Siedlungen und deren Ausweitung auf die besetzten Gebiete völkerrechtswidrig sind und beendet werden müssen."
Die Vollversammlung verabschiedete ebenfalls die folgenden vier Protokollpunkte:
Protokollpunkt zur Beendigung des Krieges und zu Frieden auf der koreanischen Halbinsel
"Trotz der Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens am 27. Juli 1953 wurde der Koreakrieg offiziell immer noch nicht beendet", steht im Protokollpunkt. Der Protokollpunkt fordert den ÖRK und seine Partner nachdrücklich auf, ihre Solidarität erneut zu bekräftigen und die koreanischen Kirchen und ihre Advocacy-Arbeit aktiv zu unterstützen und zu begleiten.
Protokollpunkt zur Situation in Westpapua
Im Protokollpunkt wird die tiefe Sorge über ernstzunehmenden, systemischen Verletzungen der Menschenrechte in Westpapua geäußert. "Die indigenen Völker von Papua, die mehrheitlich dem christlichen Glauben angehören, erleiden weiterhin ernste und systemische Verletzungen ihres Rechts auf körperliche Unversehrtheit und ihrer Menschenrechte", besagt der Protokollpunkt.
Protokollpunkt zu den Folgen des Krieges in Bergkarabach von 2020
Der Protokollpunkt bekräftigt erneut die Verurteilung des Einsatzes von chemischen Waffen und Streumunition, die Angriffe auf Zivilpersonen, Krankenhäuser und die öffentliche Infrastruktur sowie alle anderen Kriegsverbrechen, Enthauptungen, Folter und weitere Grausamkeiten, die in diesem Konflikt beobachtet wurden.
Protokollpunkt zum Völkermord an den syrischen Christen "Sayfo"
Der Protokollpunkt ruft dazu auf, dass dieser Genozid als historische Realität benannt wird.
Während des "Völkermord an den syrischen Christen' oder 'Sayfo' im Jahr 1915 verloren mehr als eine halbe Million syrisch-aramäische Christen und Christinnen ihr Leben. "Obwohl sich dieser Genozid im selben historischen und politischen Kontext ereignete wie der Völkermord an den Armeniern, wird der Völkermord an den syrischen Christen von diesem dennoch verschieden und unabhängig verstanden", so der Protokollpunkt.
Erklärung zur Einheit
Die Vollversammlung hat die Erklärung zur Einheit der 11. ÖRK-Vollversammlung empfangen, verabschiedet und bewilligt, in der es um den unverwechselbaren Aufruf zu christlichen Liebe in der heutigen Welt geht. Aufeinanderfolgende ÖRK-Vollversammlungen haben jeweils eine Erklärung oder ein Thema vorgeschlagen, um die Kirchen zum Nachdenken darüber anzuregen, warum sie sich für den gemeinsamen Weg entschieden haben und welche Bedeutung der Aufruf zur Einheit hat.
Beteiligung junger Erwachsener steigern
Die Vollversammlung empfahl die Beteiligung von jungen Erwachsenen in der weltweiten Gemeinschaft von Kirchen zu steigern. Die Versammlung nahm eine Botschaft des Ökumenischen Treffens junger Erwachsener entgegen, die von 38 jungen Mitgliedern der Versammlung, darunter 12 Delegierte und neun Berater und Beraterinnen, unterzeichnet wurde, und verabschiedete sie. Zur Durchführung verwies die Vollversammlung die Botschaft an den ÖRK-Zentralausschuss mit dem Hinweis auf "die Notwendigkeit, junge Erwachsene vollumfänglich in sämtliche Ausschüsse, Kommissionen, Beratungs- und Referenzgruppen des ÖRK einzubinden, jedoch auch auf das offensichtliche Widerstreben einiger Mitgliedskirchen, junge Erwachsene in den Zentralausschuss und andere Ausschüsse zu ernennen."
COVID-19-Pandemie beeinflusste Einnahmen und Arbeitsweisen
Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 führten zu geringeren Einnahmen für den ÖRK und verlangten eine Anpassung der Arbeitsweise. "Als die Versammlung 2013 in Busan zusammentrat, gab es, im Gefolge der Finanzkrise von 2008, Besorgnis sowohl über die sinkenden Einnahmen als auch über die Kredite, die zur Refinanzierung des Pensionsfonds aufgenommen wurden", heißt es in dem Bericht. Und: "Die 2014 erfolgte Auflegung des ÖRK-Strategieplans durch den Zentralausschuss markierte jedoch den Beginn einer neuen Periode, in deren Verlauf eine bemerkenswerte Stabilität in den Beitragszahlungen erreicht wurde."
Neue Vorsitzende gewählt
Der Zentralausschuss des ÖRK hat Bischof Heinrich Bedford-Strohm von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zum neuen Vorsitzenden gewählt. Der Zentralausschuss wählte außerdem zwei stellvertretende Vorsitzende, nämlich Pastorin Merlyn Hyde Riley, Baptistenunion von Jamaika, und Erzbischof Vicken Aykazian, Armenische Apostolische Kirche, Heiliger Stuhl von St. Etschmiadsin.
Am 8. September wählt der Zentralausschuss ebenfalls den ÖRK-Exekutivausschuss. Insgesamt setzt sich der neuerwählte Exekutivausschuss aus 48 Prozent Frauen und 52 Prozent Männern; 80 Prozent Ordinierten und 20 Prozent Laiinnen und Laien; 8 Prozent indigene Personen, 4 Prozent Menschen mit Behinderungen und 12 Prozent junge Erwachsene zusammen.
Die 11. Vollversammlung des ÖRK wählte am 6. September den 150 Personen umfassenden Zentralausschuss. Der ÖRK-Zentralausschuss ist das höchste Leitungsgremium des ÖRK in der Zeit zwischen den Vollversammlungen.
Botschaft der Vollversammlung: "Ein Aufruf zum gemeinsamen Handeln"
Alle sind durch die Liebe Christi zu Reue, Versöhnung und Gerechtigkeit angesichts von Krieg, Ungleichheit und Sünden gegen die Schöpfung aufgerufen, erklärten die Delegierten der Vollversammlung in einer am 8. September veröffentlichten Botschaft.
"Wir werden die Kraft finden, aus einer Einheit heraus zu handeln, die in der Liebe Christi verankert ist, denn sie rüstet uns zu, zu lernen, was zum Frieden dient, Spaltung in Versöhnung zu verwandeln und uns für die Heilung des gesamten lebendigen Planeten einzusetzen", heißt es in der Botschaft der Delegierten.