ÖRK-Weltkirchentreffen endet mit farbenfrohem Gottesdienst
Die Erwartungen an die einwöchige Vollversammlung des Weltkirchenrates (ÖRK) im deutschen Karlsruhe waren hoch. Christinnen und Christen aus mehr als 120 Staaten wollten sich mit klaren Botschaften zu Wort melden: binnenkirchlich mit Fortschritten auf dem Weg zu überkonfessioneller Einheit und Versöhnung, gesellschaftspolitisch mit christlich begründeten Positionen etwa zu Klimawandel, gegen Aufrüstung, für Frieden weltweit und für mehr globale Entwicklungsgerechtigkeit.
Doch die neuntägige Megakonferenz mit 4.000 Teilnehmenden, die am Donnerstag mit einem farbenfrohem Gottesdienst zu Ende ging, entfaltete nur geringe Außenwirkung. Zu sehr verharrten die Delegierten bei Spezialdebatten oder wenig konkreten Resolutionen zu den unterschiedlichsten politischen Fragen. Zu selten gelang es, die versammelte Expertise für pointierte Stellungnahmen zu nutzen. Wenig war auch darüber zu erfahren, wozu sich die Kirchen selbst verpflichten - sei es im Kampf gegen den Klimawandel oder für mehr Frauenrechte.
Das Hauptergebnis der Versammlung liegt damit vor allem im Abstecken von Themen und Projekten, die der ÖRK in den kommenden Jahren - bis zur nächsten Vollversammlung 2030 - verfolgen will. Und in einer durchaus eindrucksvollen spirituellen Selbstvergewisserung. Auf den Weg gebracht wurden beispielsweise eine "Ökumene der Herzen", die Fortsetzung des "Pilgerwegs für Gerechtigkeit" und Unterstützungen für Christen im Nahen Osten.
Gering war die mediale Resonanz - nicht nur in Deutschland. Der anglikanische Primas Justin Welby flüchtete sich gar in Zynismus: "Vielleicht sollten wir mehr über Sex reden."
Auftakt mit Paukenschlag
Dabei hatte die Versammlung mit einem Paukenschlag begonnen: Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warf der in Karlsruhe mit hochrangigen Delegierten vertretenen russisch-orthodoxen Kirche Gotteslästerung vor. Sie rechtfertigten den Angriffskrieg gegen die Ukraine - "gegen ihre eigenen, gegen unsere eigenen Brüder und Schwestern im Glauben", rief Steinmeier.
Anders als erhofft kam es in Karlsruhe nicht zum Dialog zwischen russischen und ukrainischen Delegierten. Ein ukrainischer Bischof sagte, er wolle nicht länger die "immergleichen Lügen und Propaganda" aus Moskau anhören. Sprachlosigkeit zwischen den christlichen Vertretern der Kriegsparteien also, die auch die ÖRK-Führung nicht überwinden konnte.
Der orthodoxe Erzbischof Job von Pisidien gab eine verzweifelte Analyse zu Protokoll: "Ein christliches Land greift mitten in Europa ein anderes christliches Land an, und Christen töteten andere Christen. Ist das wirklich das christliche Zeugnis, das wir der säkularen Welt geben wollen?"
Appelle gegen Klimawandel, Aufrüstung
Drängende Appelle verabschiedete die ÖRK-Vollversammlung gegen den Klimawandel, gegen Aufrüstung und Waffenlieferungen, gegen die Unterdrückung von Indigenen, gegen Rassismus. Eine informative Analyse einer ÖRK-Gruppe beschrieb die apokalyptischen Gefahren von autonomen Waffensystemen. Lesenswert sind die ÖRK-Ausführungen zu den fatalen politischen Folgen von Desinformation und Polarisierung, beschleunigt auch durch die Sozialen Medien.
Verabschiedet wurde auch eine zwischen den verschiedenen Richtungen der Kirchen sehr kontrovers diskutierte Stellungnahme zum Nahostkonflikt: Der Text formuliert scharfe Kritik an Israel für Vertreibungen und Menschenrechtsverletzungen, erkennt aber auch Israels Recht auf Verteidigung an. Das Papier benennt zudem, dass der ÖRK beim Vorwurf einer "Apartheid-Politik" gegen Israel uneins war und daher auf den Begriff verzichtet hat: Vor allem die Delegierten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) verwehrten sich gegen die Rede von "Apartheid", die Vertreter aus den USA und Südafrika unbedingt in die Resolution aufnehmen wollten.
Faszinierendes Forum
Und dennoch: Das Treffen von 4.000 Christinnen und Christen war ein faszinierendes Forum für den Austausch von Traditionen und Kulturen. Spürbar im Sprachengewirr in den Kaffeepausen oder in den täglichen Gottesdiensten mit Musik von der Bach-Kantate bis zu sphärischen Klängen aus Ozeanien und afrikanischen Tänzen. Eine Zeremonie illustrierte die biblische Schöpfungsgeschichte, indem Wasser von mehreren Kontinenten zusammenfloss. Spirituelle Vielfalt, die den entscheidenden Unterschied zu einer politischen Tagung ausmachte.
Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer zogen eine sehr positive persönliche Bilanz. Von mutmachenden und horizonterweiternden Begegnungen war die Rede. Die gastgebende evangelische Bischöfin in Baden, Heike Springhart, sprach vom Signal der Versammlung, "dass wir nicht nur um uns selbst kreisen dürfen, sondern die internationalen Probleme nur gemeinsam, in internationaler Zusammenarbeit bewältigen können." Es gelte jetzt, die Inspiration des Treffens vor Ort wirksam zu machen.