Brot und Rosen für alle. Armut aus ökumenischer Perspektive
Am 3.5. widmeten sich über 60 Mitarbeitende und Interessierte aus unterschiedlichen christlichen Kirchen im Rahmen des 41. Ökumenischen Theologischen Tages der Frage nach Armen und Armut im Kontext unserer Gesellschaft.
Nach einem Morgengebet, angeleitet vom altkatholischen Pfarrer und Vorsitzenden des Forums der christlichen Kirchen in OÖ Mag. Samuel Ebner, lenkte der römisch-katholische Bischof Dr. Manfred Scheuer den Blick zuerst auf Armut als geistliche Haltung, die er als Abkehr vom Leistungsgedanken, von Ich-Zentriertheit, Macht und Materialismus beschrieb. Eine solche Haltung meine auch die Annahme meiner selbst, meiner Begrenztheit und meines konkreten Geworden-Seins.
Der Sozialexperte der Diakonie Österreich und Mitbegründer der österreichischen Armutskonferenz, Mag. Martin Schenk brachte für die Veranschaulichung der Antwort auf die ihm gestellte Frage „Wer ist arm und was bedeutet das?“ Brot und Rosen mit. In seinem Vortrag wurde immer wieder deutlich, dass Armut einen Mangel an Brot bedeute, an Materiellem, also der Möglichkeit, Nahrungsmittel kaufen oder die Mietkosten bezahlen zu können. Armut bedeute aber auch ein Mangel an Rosen, also eingeschränkte Freiheit und Entscheidungsmöglichkeiten, verwehrte Teilhabe und Anerkennung oder auch ein Mangel an Erfahrung von Selbstwirksamkeit und stabilen Beziehungen.
Der Leiter des Bibelwerkes Linz, Dr. Reinhard Stiksel, stellte zu Beginn seines Referats die Frage, wer zur Zeit Jesu und des Neuen Testaments arm bzw. reich gewesen sei? Mit dem Hintergrundwissen um antike Lebenserhaltungskosten, Besitzverhältnisse und Güterverbrauch wurden die anschließend analysierten Bibeltexte anschaulich und lebendig. Die dargestellte Sozialstruktur der Jesusbewegung wie auch die behandelten Bibeltexte zeigten nicht nur die Option für die Armen, sondern ebenso deutlich die Relevanz der Botschaft Jesu für Vermögende. Neben mahnenden Worten an Reiche werden darin auch konstruktive Impulse gegeben, den Reichtum in gutem Sinne zu nutzen und die eigene Haltung zu ändern.
In der Diskussion der Referenten mit den Zuhörenden, wurde u.a. die Frage gestellt, wie Arme und Benachteiligte ohne Beschämung Teil unserer Gesellschaft und unserer Gemeinden werden können. Gemeinsam wurde über konkrete Maßnahmen nachgedacht, wie z.B. beim Kirchenkaffee/Pfarrkaffee keine fixen Preise zu verlangen, sondern ein Körbchen mit freiwilligen Spenden aufzustellen; oder Zuschüsse möglichst anonym beantragen zu können; oder vermehrt auf universale Leistungen zu setzen, die für alle gleich sind.
So wird es z.B. auch im Linzer Of(f)enstüberl gehandhabt, in dem jede/r ein gratis Frühstück bekommt, ohne seine Bedürftigkeit nachweisen zu müssen. „Wer gemütlich frühstücken gehen möchte und es sich leisten kann, der geht ins Kaffeehaus und kommt nicht zu uns“, wie Dr. Georg Wagner, Geschäftsführer der Evangelischen Stadt-Diakonie Linz am Nachmittag anmerkte. In seinem Praxis-Einblick sprach Wagner auch viele strukturelle Faktoren an, die Armut begünstigen und sieht dabei die Politik massiv gefordert. Die Stadt-Diakonie setzt aber auch selbst viele Maßnahmen, Armut nachhaltig entgegen zu wirken: Sie beteiligt sich z.B. am Projekt „Zuhause angekommen“, in dem wohnungslosen Familien oder Einzelpersonen kostenloser Wohnraum zur Verfügung gestellt wird.
Der katholische Theologe und ehemaliger Obdachlosenseelsolger, Dr. Helmut Eder, erzählte in seinem Impuls von Begegnungen, Freundschaften und Vertrauensbeziehungen mit Wohnungslosen und Menschen „mit besonderer Lebensweise“, wie Eder sagte, für den die Bezeichnung „Arme“ oft mit Abwertung verbunden ist. Eder plädierte für eine Haltung der Aufmerksamkeit und Wertschätzung gegenüber Benachteiligten und sprach sich auch für eine Einübung dieser Haltung in der Praxis aus.
Gudrun Becker (Ökumene-Beauftragte Diözese Linz)