Grünwidl: Miteinander gehen, miteinander beten, miteinander arbeiten
Liebe Schwestern und Brüder in Christus!
"Ich halte dafür, dass alles Verlust ist, weil die Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, alles überragt. - Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung!" (Phil 3,7 ff)
Es ist gut, dass wir heute in ökumenischer Verbundenheit diese Ostervesper feiern. Damit wird sichtbar: in allen christlichen Kirchen und Gemeinschaften steht der Glaube an den auferstandenen Herrn Jesus Christus im Mittelpunkt. Wir alle wurden auf den Namen des dreieinigen Gottes getauft und sind mit Christus, dem Sieger über Sünde und Tod, verbunden.
Papst Franziskus soll heute, an seinem Begräbnistag in dieser Ostervesper zu Wort kommen. Ökumene und interreligiöser Dialog zählten ja zu seinen Herzensanliegen. Franziskus hat folgende „ökumenische Dreifaltigkeitsformel“ geprägt: „miteinander gehen, miteinander beten, miteinander arbeiten.“ Dazu einige Gedanken: Miteinander gehen. Das heurige gemeinsame Osterfest ist ein wichtiger Schritt auf unserem gemeinsamen Weg. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr, 1700 Jahre nach dem 1. ökumenischen Konzil von Nicäa, feiern Ost- und Westkirche gemeinsam Ostern. Nur ein mathematischer Zufall in den unterschiedlichen Terminberechnungsmethoden? Oder vielleicht doch ein "Fingerzeig von oben"?
Miteinander gehen. Wir können mit Paulus sagen: Wir sind noch nicht am Ziel. Aber wir schauen nicht zurück, sondern wir strecken uns aus nach dem, was vor uns liegt und wir gehen miteinander auf das Ziel zu (vgl. Phil 3,13). Gelegentlich ist zu hören, die ökumenische Bewegung sei in die Jahre gekommen und müde geworden. Ich danke allen, die nicht müde werden auf dem langen Weg zur Einheit, sondern in Bewegung bleiben und mutige Schritte setzen.
Wir wissen, dass ein gemeinsames Osterfest noch nicht das Ziel unseres Weges sein kann, denn ein gemeinsamer Festtermin macht noch keine Kircheneinheit. Doch wenn Ost- und Westkirche gemeinsam Ostern feiern, kann das Fest der Auferstehung des Herrn deutlicher als bisher zu einem Zeichen der Einheit und zu einem noch hoffnungsvolleren Impuls für Versöhnung und Frieden werden.
Miteinander gehen. Dass die gesamte Christenheit sich auf einen gemeinsamen Ostertermin einigt und künftig das Fest der Auferstehung des Herrn gemeinsam feiert, wäre ein wichtiger und mutiger Schritt auf dem Weg, den wir gemeinsam in Richtung Einheit gehen.
"Miteinander beten" - so lautet der 2. ökumenische Impuls von Papst Franziskus. Die heutige Ostervesper schenkt uns eine Ahnung vom Reichtum des konfessionell geprägten Glaubens- und Gebetslebens. Diese Vielfalt im Feiern, Beten und Singen ist ein großer Schatz und eine Bereicherung für uns alle. Danken wir für die verschiedenen christlichen Gebetstraditionen und liturgischen Formen, und machen wir uns bewusst: Wir ergänzen einander, wir können voneinander lernen, und wir feiern in dieser Vielfalt den dreieinigen Gott der Liebe, auf den wir alle getauft wurden. Vielstimmig preisen wir Jesus Christus und bekennen in unseren Gebeten und Gesängen: Er ist Licht vom Licht, Gott von Gott, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen.
Denn dieses vor 1700 Jahren beim 1. Konzil von Nicäa formulierte Bekenntnis ist bis heute ökumenisch hochbedeutsam und bleibend wichtig. Im Jahr 325 war die Kirche organisatorisch noch ungeteilt, aber die Glaubensfrage „Wer ist Jesus Christus?“ führte zu Streit und Spaltungen.
Ist es heute nicht genau umgekehrt? 1700 Jahre nach Nizäa ist die Christenheit geeint in der Beantwortung der Frage "Wer ist Jesus Christus?" Das gemeinsame Glaubensbekenntnis verbindet uns. Aber organisatorisch - unsere Traditionen und Riten, unsere Kirchenbilder und Ämterregelungen, die Bedeutung des Bischofs von Rom und andere Fragen – da gibt es manches, das uns im Lauf der Jahrhunderte getrennt hat und bis heute zwischen uns steht.
Miteinander beten. Mit dieser Einladung erinnert uns der verstorbene Papst Franziskus daran: Die Einheit der Kirche ist nicht in erster Linie ein organisatorisches, strukturelles Problem, sondern zuerst eine Frage des Glaubens und des Gebets. Die Kircheneinheit wurzelt im gemeinsamen Bekenntnis des Glaubens und im gemeinsamen Gebet. Wir können Einheit nicht machen, denn unsere Schritte und Bemühungen auf dem ökumenischen Weg werden erst wirksam und fruchtbar durch das Geschenk des Heiligen Geistes. Beim "ökumenischen Dreiklang" nannte Papst Franziskus auch noch die Einladung: miteinander arbeiten.
Der gemeinsame Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung und die Bereitschaft zur verstärkten Zusammenarbeit vor allem auch in konkreten sozialen und caritativen Projekten machen uns glaubwürdig.
Miteinander arbeiten: Einige Mühe und Arbeit werden wir wohl auch damit haben, das Bekenntnis von Nicäa – eine theologische Formel – mit Leben zu erfüllen und dieses Christusbekenntnis ins Heute zu übersetzen.
Wir wissen zwar, dass sich die Bevölkerung in unserem Land mehrheitlich als religiös, spirituell oder gläubig bezeichnet. Das ist erfreulich. Zugleich aber wird immer deutlicher, dass die Grundbotschaft des christlichen Glaubens – Gott hat sich in Jesus Christus geoffenbart – für viele Menschen keine oder kaum mehr Bedeutung hat. Miteinander arbeiten. Ich sehe das Bekenntnis von Nicäa auch als „Arbeitspapier“ und als Arbeitsauftrag für alle christlichen Kirchen. Die Gottesfrage thematisieren und in der Buntheit des religiösen Angebots den Gott der Bibel neu und lebensrelevant verkünden, gehört zu unseren Aufgaben. Es geht darum, das Credo und das Evangelium in das Leben der Menschen hinein zu übersetzen.
Miteinander gehen – in Richtung Einheit und hoffentlich auch in Richtung eines gemeinsamen Osterfestes.
Miteinander beten – denn die Kircheneinheit ist keine organisatorische Frage, sondern eine Frucht des Gebets und ein Geschenk des Heiligen Geistes.
Miteinander arbeiten – gemeinsam die Welt umgestalten im Geist des Evangeliums.
Christus wollen wir erkennen und die Macht seiner Auferstehung. Das tun wir in der versöhnten Vielfalt der konfessionell geprägten Kirchen, Gebetstraditionen und Liturgieformen. Der Heilige Geist, der die Toten lebendig macht und zusammenführt was getrennt ist möge aus unserem vielstimmigen Glaubenszeugnis ein symphonisches Osterhalleluja und eine glaubwürdige österliche Hoffnungsbotschaft für die Welt machen. Amen.