Jerusalem: Bischof ruft zu Pilgerreisen ins Heilige Land auf
Der lutherische Bischof von Jerusalem, Sani Ibrahim Azar, hat an die Christinnen und Christen im Westen appelliert, sich solidarisch mit ihren Glaubensgeschwistern im Heiligen Land zu erweisen. Eine besonders gute Möglichkeit dazu seien Pilgerreisen, so der Bischof in einem Gastkommentar in der März-Ausgabe des Magazins "Information Christlicher Orient". Es gelte, alles Mögliche zu unternehmen, "damit es auch in Zukunft einheimische Christen im Heiligen Land gibt".
In Betlehem seien beispielsweise 70 Prozent der Bewohner vom Tourismus abhängig, der aber mit dem Krieg nach dem 7. Oktober 2023 völlig eingebrochen sei: "Die Menschen haben seit fast eineinhalb Jahren kein Einkommen mehr, viele sind völlig verarmt und sehen keine Zukunftsperspektiven mehr." Wer entsprechende Möglichkeiten habe, überlege ernsthaft, das Land zu verlassen, so der Bischof. Allein in den vergangenen Wochen seien fast 160 christliche Familien ausgewandert. Für die kleine christliche Minderheit sei das ein schlimmer Aderlass.
Das Leben sei für die Palästinenser im Westjordanland sehr schwierig, "auch wenn der Krieg nun hoffentlich vorbei ist", so der Bischof: Israel habe unzählige neue Checkpoints im Westjordanland errichtet, "mehr als 800". Diese würden ständig wechseln, "sodass man nie weiß, wie lange man für die Fahrt zur Arbeit, zur Schule, zur Universität oder zum Arzt braucht". Auch das zermürbe die Menschen. Sie seien "müde und erschöpft".
Als Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche im Heiligen Land - dazu zählen Israel, Palästina und Jordanien - ist Ibrahim Azar für ca. 2.000 Gläubige in fünf Pfarren zuständig. "Unsere Kirche ist zwar zahlenmäßig klein, aber sehr lebendig und engagiert. Das zeigt sich etwa auch an den vier Schulen, die wir führen und die von rund 2.000 Schülerinnen und Schülern besucht werden", so der Bischof.
Azar kommt auch auf die Situation der Christen in Jerusalem zu sprechen. In der Altstadt sei es in der jüngeren Vergangenheit immer öfter zu Attacken gegen als Geistliche erkennbare Christen gekommen. Es herrsche mitunter eine bedrückende Atmosphäre. "Diese Entwicklung bereitet allen Kirchen große Sorgen."
Große Sorgen machten den Kirchen auch die Versuche der Stadtverwaltung von Jerusalem, von kirchlichen Einrichtungen Grundsteuer einzufordern, oft viele Jahre rückwirkend. Das wäre für viele Kirchen der finanzielle Ruin, so der Bischof. Vor einigen Jahren habe es bereits einen entsprechenden Vorstoß gegeben. Die Verantwortlichen der Kirche hätten daraufhin aus Protest die Grabeskirche für drei Tage komplett geschlossen. "Kein einziger Gläubiger, kein Pilger, kein Tourist konnte hinein. Das gab einen öffentlichen Aufschrei und die Behörden haben ihre Steuerpläne vorübergehend zurückgezogen. Im vergangenen Jahr ging es nun aber wieder los."
Diese Steuer würde nicht nur die Kirchen im engeren Sinn betreffen, sondern auch viele weitere kirchliche Einrichtungen. Auf dem Ölberg befindet sich beispielsweise das evangelische Krankenhaus. Diese müsste wohl geschlossen werden. Das Krankenhaus sei aber das einzige Krebskrankenhaus für die Palästinenser in der gesamten Region.
"Kirchen müssen zusammenzuhalten"
Es gebe aber auch schöne Erlebnisse als Christ im Heiligen Land, so der Bischof weiter. Die ökumenischen Beziehungen seien sehr gut: "Vor Kurzem fand in der melkitischen Kirche eine Priesterweihe statt. Vertreter aller Kirchen sind zusammengekommen und haben gemeinsam gefeiert. Das war ein erhebendes Erlebnis."
Regelmäßig kämen auch alle Patriarchen und führenden Bischöfe der Kirchen zusammen, um Anliegen und Herausforderungen zu besprechen und gemeinsame Vorgehensweisen zu planen oder auch öffentliche Erklärungen zu verabschieden, so Bischof Azar. Nachsatz: "Die Kirchen müssen zusammenzuhalten."
Bischof Azar hat gute Kontakte nach Österreich. Vor rund einem Monat empfing er eine Delegation des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) in Jerusalem. Im Herbst 2023 war er Referent bei der Jahrestagung der "Initiative Christlicher Orient" in Salzburg.
Quelle: kathpress