Scheuer und Hennefeld: Kleine Zeichen der Hoffnung im Heiligen Land
Ein differenziertes Resümee des jüngsten Besuchs einer Delegation des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) im Heiligen Land haben Linzer Bischof Manfred Scheuer und der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld gezogen. Wiewohl der Konflikt extrem komplex sei und schnelle Lösungen nicht in Sicht sind, gebe es zumindest kleine Zeichen der Hoffnung und erste Ansätze, wie ein Weg in Richtung mehr Miteinander gelingen könnte.
In einer ausführlichen Stellungnahme gegenüber Kathpress und den heimischen Kirchenzeitungen betonte Scheuer, dass sich die Erfahrungen, Begegnungen und Eindrücke der Reise nicht auf einen Nenner oder in eine einfache Überschrift fassen ließen. Scheuer: "Der barbarische Terror der Hamas, die unerträgliche Situation der israelischen Geiseln, die seelischen Traumata, von den wir gehört haben, die Verletzungen, der Krieg, die Existenzbedrohung, der Hass und die Suche nach Sicherheit und Frieden sind nicht einfach zu vermitteln oder zu ordnen und schon gar nicht zu lösen."
Die Realität der Menschen - Juden, Muslime und Christen - sei eine andere als jene, die in den europäischen Medien oder digital vermittelt werde. Es scheine eine "Verlierer-Verlierer-Konstellation" zu sein, so der Bischof: "Es versagen bloße Postulate oder Beschwörungsformeln, wenn und weil sie nicht aus der Wahrnehmung der Leidenden, der Opfer und der Kinder, aus der Anerkennung des Leidens der anderen, aus der Anerkennung dessen kommen, was mit Wut und Zorn erfüllt."
Freund-Feind-Denken
Er habe gelernt, so Bischof Scheuer, "dass Schwarz-Weiß-Schemata, Freund-Feind-Denken, dass Abstraktionen und Generalisierungen kein Weg zur Heilung der Wunden, kein Pfad zum Frieden sind". Wenn alle, die nicht den eigenen Interessen und Strategien entsprechen, in das Lager der Feinde geworfen werden, könne es keine gute Zukunft geben. Terror, Krieg, Misstrauen und Hass hätten viele seelisch und körperlich krank gemacht und erschöpft, so Scheuer.
Europa und der Westen werde von Israelis und Palästinensern einer Doppelmoral beschuldigt, "weil die bloße Rede von Menschenrechten und Frieden die dämonische Abgründigkeit der Gewalt nicht auslotet und den Kindern nicht versichern kann, dass es wieder gut wird." Schon gar nicht helfe ein zahlenmäßiges Auf- und Abrechnen der Opfer auf mehreren Seiten, so Scheuer: "Das Messen und Vergleichen ebnet ein, ruiniert das Entsetzen, erlöst gerade nicht aus der Gleichgültigkeit."
Er sei bewegt von der "bleibenden Spannung zwischen der notwendigen Empathie für die Opfer, der berechtigten Suche nach Sicherheit und einer universalen Ethik der Menschenrechte und der Menschenwürde.
Und der Bischof fuhr fort: "Es bewegt, berührt und beschämt mich das Zeugnis einer jüdischen Frau, deren Sohn am 7. Oktober 2023 durch die Hamas ermordet wurde. Sie hat gesagt: 'Wir haben nicht das Privileg, in Verzweiflung zu fallen.' Sie hat uns vermittelt, dass Verzweiflung nicht rational sein kann, Hoffnung nicht irrational sein muss. Sie engagiert sich gegen Hassverbrechen und setzt durch konkrete Begegnungen Zeichen der Hoffnung in der Ausweglosigkeit". In allem sei sie, trotz aller Widrigkeiten, von der Hoffnung getragen, "dass Israelis und Araber, Juden, Muslime, Christen und Drusen zusammenleben können."
Viele Menschen, denen die ÖRKÖ-Delegation begegnet war, seien sehr dankbar für den Besuch und die Präsenz gewesen. Und sie hätten auch um das Gebet für den Frieden gebeten.
Hennefeld: Land und Ressourcen teilen
Vieles im Heiligen Land sei trostlos und deprimierend, zugleich sei es aber schön zu sehen und zu erleben, "wie Menschen trotz allem Hoffnung schöpfen und Orte der Hoffnungslosigkeit in Orte der Hoffnung und Orte eines friedlichen Miteinanders verwandeln", so Landessuperintendent Hennefeld gegenüber Kathpress.
Hennefeld zeigte sich in seiner Stellungnahme vor allem von den christlichen Bildungseinrichtungen beeindruckt, die die Delegation in Jerusalem, Betlehem und Nazareth besuchte. Diese Einrichtungen seien "Orte der Hoffnung", betonte der Landessuperintendent: "Das sind Schulen, in denen Kinder zu Respekt, Toleranz und Versöhnung erzogen werden, Oasen der Geborgenheit und Herzlichkeit für christliche und muslimische Kinder und Jugendliche in einem Umfeld von Unsicherheit, Leid und Gewalt." Auch das Leben und Arbeiten in der Dar Al Kalima Universität in Bethlehem vermittelt Hoffnung. Direktor Mitri Raheb, vormals evangelischer Pfarrer, "hat dort einen Ort geschaffen, an dem jungen Menschen ihre Talente und Fähigkeiten entfalten können".
Was in den Bildungseinrichtungen im Kleinen geschieht, sollte auch der Politik als Vorbild dienen - nämlich dem anderen als Mensch zu begegnen und die Bereitschaft zu zeigen, Land und Ressourcen zu teilen. Wäre der Wille zum Zusammenleben vorhanden, könnte dieses zerrissene Land zu einem kleinen Paradies werden.
Der reformierte Landessuperintendent verwies in seiner Stellungnahme auch explizit auf den Besuch der Delegation in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem, um die Verbundenheit mit dem Judentum zu unterstreichen. "Dieser Gedenkort, der das Grauen des Holocausts eindrücklich dokumentiert, erinnert uns als Christen und als Kirchen in Österreich an die Mitschuld und Mitverantwortung der Kirchen gegenüber Juden", so Hennefeld wörtlich.
Der Delegation, die von 10. bis 15. Februar im Heiligen Land unterwegs war, gehörten der armenisch-apostolische Bischof und ÖRKÖ-Vorsitzende Tiran Petrosyan, Bischof Scheuer, Landessuperintendent Hennefeld sowie der rumänisch-orthodoxe Bischofsvikar Nicolae Dura an. Der Besuch diente der Begegnung mit den einheimischen Christen sowie mit Vertretern von Organisationen und Institutionen, die sich für Frieden und Versöhnung im Heiligen Land einsetzen.
Quelle: kathpress