Keine einfachen Antworten für Konflikt im Heiligen Land
Ohne die Anerkennung des Leidens der jeweils anderen Seite und damit die Überwindung von Schwarz-Weiß-Schemata kann es keinen Frieden im Heiligen Land geben. Vermeintlich einfache Antworten seien jedenfalls kontraproduktiv. Das hat der Linzer Bischof Manfred Scheuer zum Abschluss eines Besuchs vor Ort gegenüber Kathpress betont. Eine hochrangige Delegation des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) hielt sich vergangene Woche im Heiligen Land auf. Der Besuch dient der Begegnung mit den Christen vor Ort und mit Personen bzw. Vertretern von Organisationen und Institutionen, die sich für Frieden und Versöhnung einsetzen.
Der ÖRKÖ-Vorsitzende Bischof Tiran Petrosyan versicherte den kirchlichen Vertretern die Solidarität der Kirchen in Österreich. Ebenso würdigte er den Einsatz von Friedensinitiativen, die sich um Begegnungen von Christen, Muslimen und Juden bemühen. Der ÖRKÖ-Delegation gehörten neben den Bischöfen Petrosyan und Scheuer auch der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld sowie der rumänisch-orthodoxe Bischofsvikar Nicolae Dura an.
Spuck-Attacken
In Jerusalem wurde die Delegation u.a. vom armenischen Patriarchen Nourhan Manougian empfangen. Dieser berichtete, dass die einst so starke armenische Gemeinde nur mehr 3.000 Mitglieder im ganzen Heiligen Land zählt. Im armenischen Viertel in Jerusalem seien es höchstens noch 1.000, sagte der Patriarch. Die Armenische Kirche unterhält in Jerusalem noch eine Schule mit 150 Schülerinnen und Schülern und ein Seminar mit 40 Priesteramtskandidaten aus aller Welt.
Zu den Spuck-Attacken extremistischer Juden auf die Armenier im Viertel, die in letzter Zeit deutlich zugenommen haben, wollte sich der Patriarch nicht äußern. Auch nicht zu dem Streit rund um eine armenische Liegenschaft, die auf undurchsichtige Weise verkauft wurde und um die ein Rechtsstreit entbrannt ist. Sollte dieser zuungunsten der Armenier ausgehen, werden sie einen beträchtlichen Teil ihrer Liegenschaften in Jerusalem verlieren.
Gute ökumenische Beziehungen im Heiligen Land
Der Patriarch würdigt im Gespräch mit der Delegation allerdings die guten ökumenischen Beziehungen im Heiligen Land. Diese seien "viel besser als früher". Vom Westen würden sich die Christen im Heiligen Land aber mehr Unterstützung erwarten. Und auch Manougian äußerte - wie viele weitere Kirchenvertreter - den dringenden Appell an die Christen aus aller Welt: "Kommt als Pilger ins Heilige Land!"
Das Drama rund um die ausbleibenden Pilger verdeutlichte u.a. auch der rumänisch-orthodoxe Archimandrit Theophil, Rektor der rumänischen Georgskirche in Jerusalem. Die Kirche ist Anlaufstelle für die Pilger aus Rumänien. Rund 100.000 würde er in einem "normalen" Jahr in Jerusalem begrüßen, seit Jahresbeginn waren es gerade einmal 150. Der orthodoxe Geistliche setzte seine Hoffnung auf Besserung im Blick auf das heurige Osterfest.
Bischof: Kirchen müssen zusammenhalten
Die ÖRKÖ-Delegation war in Jerusalem auch beim evangelisch-lutherischen Bischof Sani Ibrahim Azar zu Gast. Dieser sprach sehr positiv über die Ökumene vor Ort. Alle vier bis sechs Wochen würden sich die leitenden Patriarchen und Bischöfe zum Austausch treffen, oft auch zur Verabschiedung gemeinsamer Erklärungen.
Die evangelisch-lutherische Kirche im Heiligen Land - dazu zählen Israel, Palästina und Jordanien - zählt gerade einmal 2.000 Gläubige in fünf Pfarren. Freilich sind auch viele andere Kirchen nicht viel größer. Die überproportional große Bedeutung der kleinen Kirche für die Region wird u.a. dadurch deutlich, dass die Lutherische Kirche vier Schulen führt, die von insgesamt rund 2.000 Schülerinnen und Schülern besucht werden.
In den vergangenen vier Wochen seien 157 christliche Familien ausgewandert, berichtet der lutherische Bischof weiter. Eine Katastrophe für die christliche Minderheit im Land, wie der Bischof sagte. Die Kirchen müssten zusammenzuhalten, um überhaupt eine Zukunft vor Ort zu haben.
In der besten Schule Israels
In Nazareth besuchte die heimische ÖRKÖ-Delegation u.a. die "Salvatorian Sisters' School". Diese wurde 2024 vom israelischen Bildungsministerium als beste Schule Israels ausgezeichnet. Das Schulzentrum wird von rund 1.500 Schülerinnen und Schülern besucht. Die meisten sind Christen verschiedener Konfessionen, es gibt aber auch einige Muslime. Unterrichtssprachen sind Arabisch, Hebräisch und Englisch, die Schüler maturieren auch in diesen drei Sprachen zusätzlich zu anderen Fächern.
Ausgezeichnet wurde die in den 1960er-Jahren gegründete Schule laut Direktor Awni Bathish aber nicht nur wegen der guten fachlichen Ausbildung, sondern vor allem auch wegen der christlichen Werte, die im Schulalltag gelebt werden. Im Schulzentrum gibt es auch besondere Angebote für Schüler mit spezifischen Bedürfnissen wie Lernstörungen, Lernbehinderungen oder Autismus. Dadurch können vorzeitige Schulabbrüche fast zur Gänze vermieden werden.
Christlich-jüdische Freundschaften
Die österreichische Delegation besuchte auch das katholische Vikariat Saint James. Dieses ist für die Hebräisch-sprachigen Katholiken in Israel zuständig und ein besonderer Ort der Begegnung und des interreligiösen Dialogs. Fünf Gemeinden umfasst das Vikariat in ganz Israel. "Wir sind eine Minderheit unter Minderheiten", so Gemeindepfarrer Benedetto Di Bitonto, der die Delegation in einer Pfarre in Jerusalem empfing. Die Zahl der Gläubigen liegt irgendwo zwischen 1.500 und 2.000. Sie sind Israelis und Katholiken. Die Gottesdienste werden in der Muttersprache Hebräisch gefeiert.
Das erleichtere auch so manchen Kontakt mit Juden, wie Di Bitonto sagte. Es gehe nicht um ein Missionieren, aber um Versöhnung, brachte der Priester die verschiedenen interreligiösen Aktivitäten der Gemeinde auf den Punkt, die es neben dem normalen katholischen Gemeindeleben noch gibt. Anders formuliert: "Christen bleiben Christen und Juden bleiben Juden, aber wir sind Freunde".
Quelle: kathpress