Salzburg: Tagung über "Kirchen und Religion im Kalten Krieg"
An die Pionierleistungen des Wiener Erzbischofs Kardinal Franz König (1905-2004), der ab den 1960er-Jahren die Beziehungen der Kirchen im Westen zu den Kirchen im damaligen Ostblock aufbaute, hat der Dekan der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Salzburg, Prof. Dietmar Winkler, erinnert. Winkler hielt am Mittwochabend den Eröffnungsvortrag bei der internationalen ökumenischen Tagung "Kirchen und Religion im Kalten Krieg" in Salzburg.
Beleuchtet werden bei der Tagung, die bis Freitag an der Universität Salzburg angesetzt ist, etwa verschiedene kirchliche Entwicklungen in der Sowjetunion, in Polen oder Jugoslawien. Auch weiblichen christlichen Dissidentinnen im ehemaligen Ostblock oder dem "Speckpater" Werenfried van Straaten, Begründer des internationalen Hilfswerks Kirche in Not, sind Vorträge gewidmet. Dabei werden die Themen sowohl von katholischer als auch orthodoxer und reformatorischer Seite beleuchtet.
Wenn man in Österreich eine Konferenz zu Kirche, Religion und dem Kalten Krieg veranstaltet, "kann und darf Kardinal Franz König nicht fehlen, der in vielerlei Weise Pionierarbeit leistete", so Prof. Winkler wörtlich. König "tat dies äußerst diskret und persönlich zurückhaltend", wie er - Winkler - aus seinen persönlichen Begegnungen mit König aber auch durch Arbeiten im Kardinal-König-Archiv in Wien wisse.
Winkler, er ist auch Vorsitzender der Salzburger "Pro Oriente"-Sektion, erinnerte an die Anfänge von Königs Ost-Aktivitäten hinter dem Eisernen Vorhang. 1960 war ihm überraschend die Einreise nach Jugoslawien zur Teilnahme am Begräbnis des Zagreber Kardinals Alojzije Stepinac gestattet worden. Auf der Fahrt kam es zu einem schweren Autounfall. Als er im Krankenhaus das Bild von Staatschef Tito an der Wand hängen sah, sei ihm bewusst geworden, was Gott ihm sagen wollte. Dass er sich nämlich darum kümmern sollte, was auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs vor sich geht. Winkler: "Für Kardinal König wurde der Osten tatsächlich zu einem bestimmenden Faktor in seinem Wirken, "für die Religionsfreiheit, für die Nicht-Glaubenden und die Ökumene, insbesondere mit den Ostkirchen".
König und Mindszenty
Kurze Zeit nach seinem Unfall bzw. seiner Genesung durfte Kardinal König nach Ungarn zu Kardinal Jozsef Mindszenty reisen, der damals schon einige Jahre in der US-Botschaft in Budapest festsaß. Es folgten viele weitere Reisen in den Osten, nach Polen, Rumänien, Ungarn, Jugoslawien, in die DDR und Tschechoslowakei.
Winkler: "Das Treffen mit Kardinal Mindszenty machte Franz König einmal mehr deutlich, dass der Erzbischof von Wien, zur Zeit der Teilung Europas durch den Eisernen Vorhang, der dem Osten nächste Bischof des Westens ist und dass er mit den verfolgten Kirchen in Osteuropa in Kontakt treten muss." Der Wiener Kardinal besuchte Mindszenty regelmäßig ein- bis zweimal im Jahr in der amerikanischen Botschaft.
"König beherrschte diplomatisches Feingefühl"
Winkler weiter: "Kardinal König beherrschte diplomatisches Feingefühl. Zwischen 1965 und 1980 reiste er vielfach in den europäischen Osten, nach Ungarn, Polen, Rumänien, in die DDR, Tschechoslowakei und nach Jugoslawien. Er organisierte auch im sogenannten Ostblock Dialogrunden zwischen Kirchenvertretern und atheistischen Intellektuellen." Bei den Besuchen in den Oststaaten sei stets auch ein Hauptziel gewesen, Bischöfe, Priester und Gläubige zu treffen, "um ihnen zu verstehen zu geben, dass sie im Westen nicht vergessen sind".
Die vielen Kontakte in den Osten hätten König veranlasst, 1964 die Stiftung "Pro Oriente" zum Dialog mit den orthodoxen Kirchen ins Leben zu rufen. Die ursprüngliche, im Stiftungsbrief genannte Aufgabe von "Pro Oriente" sei die "Herstellung und Vertiefung der Kontakte mit dem europäischen Osten auf allen geistig relevanten Gebieten, vor allem auch zwischen Vertretern der römisch-katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen" gewesen, erläuterte Winkler. Im Blickfeld sei zunächst also nicht allein der kirchliche Bereich gewesen. Erst in den Jahren 1969 und 1971 sei diese Fassung auf die ökumenischen Beziehungen hin modifiziert worden.
Kardinal König in Rumänien
Ausführlich ging Prof. Winkler auch auf die Beziehungen des Wiener Erzbischofs zur Rumänisch-orthodoxen Kirche ein. 1967 sei es Kardinal König erstmals möglich gewesen, nach Rumänien zu kommen. Winkler: "Es war das erste Mal, dass die kommunistischen Behörden einem römisch-katholischen Bischof die Einreise erlaubten. Damit war Franz König der erste Kardinal, der eine orthodoxe Kirche in Osteuropa besuchte."
Wegen der Griechisch-katholischen Kirche in Rumänien, die mit Rom in voller Einheit stand und während der kommunistischen Herrschaft in die Orthodoxe Kirche zwangseingegliedert worden war, waren die Beziehungen zum Vatikan prekär und alle Kontakte abgebrochen. Auf inoffizieller Ebene habe Kardinal König dann aber das Eis brechen können, so Winkler: "Kardinal König ging positiv auf die rumänische Orthodoxie zu." Es kam zu einem regen Austausch von Theologen und Studenten. Und: "War Kardinal König der erste Kardinal, der eine osteuropäische orthodoxe Kirche besuchte, so war Justinian 1968 auf Einladung des Wiener Erzbischofs der erste orthodoxe Patriarch, der Österreich einen offiziellen Besuch abstattete."
Die Begegnung Kardinal Königs mit Patriarch Justinian in Bukarest und Wien hätten in Folge für Rom eine Öffnung hin zur rumänischen Orthodoxie ermöglicht, die zuvor nicht möglich war und in der Folge auch Kontakte zu weiteren orthodoxen Kirchen hinter dem Eisernen Vorhang eröffneten.
Ökumenische Entwicklungen in der Orthodoxie
Den Hauptvortrag am Mittwochabend hielt der orthodoxe Theologe Prof. Georg Vlantis, der u.a. an der Ludwig-Maximilians-Universität München lehrt. Im Blick auf die Periode des Kalten Krieges sprach Vlantis von anfänglichen starken antiökumenischen Tendenzen in den orthodoxen Kirchen. Allerdings hätte sich der Zugang zur Ökumene innerhalb der Orthodoxie im Laufe der Zeit langsam zum Positiveren gewandelt, wodurch etwa auch orthodoxe Kirchen dem Weltkirchenrat beitraten.
Insgesamt sei festzuhalten, so Vlantis, dass trotz der vielfältigen Konflikte und Schwierigkeiten, die sich den orthodoxen Kirchen zur Zeit des Kalten Krieges stellten, die Vorantreibung des ökumenischen Gedankens möglich war. Dieser Befund sollte auch für heute positiv stimmen. Denn auch heute bestünden noch unterschiedliche Vorstellungen über Ökumenismus und es herrsche gemeinhin ein mangelndes Interesse an einer ökumenischen Theologie innerhalb der orthodoxen Kirchen. Dazu mangle es in manchen orthodoxen Kirchen auch noch an einer adäquaten Aufarbeitung der Zeit des Kalten Krieges.
Trotzdem blicke er optimistisch in die Zukunft, so der orthodoxe Theologe. Vlantis begründete dies u.a. auch mit der Vielzahl an bereits vorhandenen ökumenischen Dokumenten und Initiativen, die vor einigen Jahrzehnten noch undenkbar gewesen wären.
Neuer Fokus der historischen Forschung
In der Forschung zum Kalten Krieg seien bislang meist nur die Großmächte bzw. staatlichen Akteure im Mittelpunkt gestanden, so der Salzburger Kirchenhistoriker Prof. Roland Cerny-Werner, der Organisator der Tagung. Aber gerade die oft auf Mediation, Moderation und Friedenswahrung ausgerichteten Beträge religiöser, kirchlicher und anderer nichtstaatlicher Akteure müssten noch viel intensiver ins Blickfeld der Forschung geraten. Dazu wolle die Salzburger Tagung einen Beitrag leisten.
Veranstalter der Tagung ist der Fachbereich "Bibelwissenschaft und Kirchengeschichte" an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Salzburg in Zusammenarbeit mit der Salzburger Pro Oriente-Sektion, der Erzdiözese Salzburg sowie Stadt und Land Salzburg.
Quelle: kathpress